Nervenverletzungen an der Hand
Im täglichen Leben sowohl bei der Arbeit als auch im Haushalt und in der Freizeit können unsere Hände ständig Verletzungen durch scharfe Gegenstände erleiden. Dabei sind die Finger besonders exponiert. Hier kommt es oft zu vermeintlich kleineren Verletzungen, Schnittwunden durch Glas oder Messer, die dann selber durch Verband, in der Arztpraxis oder im Krankenhaus durch Wundnaht versorgt werden. Dabei kann es, besonders an den Fingern, zur Verletzung von Sehnen, Nerven und Gefäßen kommen. In der primären Unfallsituation und bei der Versorgung werden dann Gefühlsminderungen häufig zunächst selber nicht bemerkt oder aber zunächst nicht beachtet. Im Laufe der nächsten Tage fällt dann ein Kribbeln oder eine völlige Taubheit im körperfernen Abschnitt hinter der Wunde auf.
Die ist ein eindeutiger Hinweis für eine Nervenverletzung, der sofort zu einer erneuten Arztvorstellung und zur Zuweisung zu einem Handchirurgen führen sollte.
Es besteht dann die klare und dringliche Indikation, innerhalb der nächsten Tage die Wunde unter blutleeren Bedingungen erneut zu öffnen, um die Verletzungsfolgen darzustellen. Dies ist besonders bei Kindern, die hier häufig keine präzisen Angaben machen können angezeigt, da besonders im Kindesalter die Erholungsfähigkeit der Nerven besonders gut und kein Dauerschaden zu befürchten ist.
Diagnose
Besonders am Finger können einige Befunde die Diagnose erleichtern oder den Verdacht auf die Möglichkeit einer Nervenverletzung lenken.
Am Finger laufen die Nerven an der Innenfläche seitlich und liegen vor den Gefäßen. Kommt es nach einer Schnittverletzung hier zu einer massiven Blutung, so muss bei Beteiligung des Fingergefäßes eine Nervenverletzung angenommen werden. Liegt anschließend eine Gefühlsminderung vor, die häufig auch vom Patienten erst nach abklingen des ersten Wundschmerzes, bzw. der örtlichen Betäubung von der Wundversorgung, bemerkt wird, so besteht der Verdacht der Nervenverletzung.
Es kann sich bereits nach wenigen Tagen ein unangenehmes „Elektrisieren“, also eine stromschlagartige Missempfindung ausgehend von der Wunde einstellen. Diese sog. Neurombildung, also das unkontrollierte Auswachsen der Nervenfasern in die Wundumgebung kann zu einer massiven Funktionsbeeinträchtigung führen, die manchmal bis zur völligen Gebrauchsunfähigkeit der Hand führt. Ein weiteres, wenn auch nicht immer eindeutiges Kriterium ist das Fehlen der Schweißproduktion der Haut hinter der Wunde. Dies fällt besonders auf, wenn der Patient an den anderen Fingern eine ausgeprägte Schweißbildung hat. Der Handchirurg kann so die Diagnose schon durch bloßes betasten der Haut stellen.
Therapie
Besteht der Verdacht einer Nervenverletzung an der Hand oder am Finger, sollte keine Zeit verschwendet werden darauf zu warten, dass sich die Funktion von selber wieder einstellt. Die Vorstellung, der Nerv könne von selber heilen, ist Unsinn. Es bedarf hier innerhalb eines schmalen Zeitfensters von bis zu 14 Tagen einer Wundrevision, d.h. einer erneuten Eröffnung und zwingend auch Erweiterung der Wunde um die Verletzung der Nerven festzustellen und zu behandeln. In der Regel gelingt es innerhalb der ersten 10-14 Tage, den Nerven nach ausreichender Kürzung, bis gesunde Nervenfasern mikroskopisch erkennbar sind, durch eine spannungsfreie Direktnaht zu nähen. Dabei kommt Fadenmaterial in einer Dicke von 0,1 mm zum Einsatz.
Ist der Defekt nach Anfrischung der Nervenenden zu groß um eine Direktnaht durchzuführen, so muss ein freies Nerventransplantat entnommen und eingenäht werden.
Hierzu eignen sich Nerven vom Unterarm bei Defekten an den Fingern oder aber vom Unterschenkel bei den Stammnerven an der Hand und am Unterarm.
Selbstverständlich können Nervennähte und auch Transplantationen, bei denen die Transplantatentnahme am Unterarm erfolgt, auch ambulant durchgeführt werden.
Prognose
Prinzipiell gilt, je jünger der Patient, desto eher erholt sich der Nerv. Im Kindesalter kann es, auch beim Transplantat zu einer vollständigen Erholung der Funktionen kommen.
Im Erwachsenenalter ist es das Ziel, zumindest eine Schutzsensibilität wieder herzustellen und der, teilweise invalidisierenden Neurombildung vorzubeugen. Eine vollständige Erholung ist im Erwachsenenalter selten. Die Erfahrung aus der Replantationschirurgie zeigt jedoch, dass auch nach Handamputation im Erwachsenenalter in der replantierten Hand eine Sensibilität entstehen kann, die den Einsatz der Hand im täglichen Leben ermöglicht.