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Kiloh-Nevin-Syndrom (N. interosseus-anterior-Syndrom)

Bei diesem sehr seltenen Kompressionssyndrom eines Astes des N. medianus (Mittelnerv) sind ausschließlich die Beugung des Daumens und der Fingerendglieder II und III betroffen. Das Syndrom wurde von Kiloh und Nevin 1951 erstmals dem N. interosseus anterior zugeordnet.

Erscheinungsbild

Es besteht lediglich ein Verlust oder eine Kraftminderung der Beugung des Daumens und des Zeigefingers (sehr selten auch des Mittelfingers) im Endgelenk. Gefühlsausfälle an der Hand entstehen keine, da der Nerv keine gefühlsvermittelnde Funktion hat. Ursachen können sehnige oder gefäßbedingte Einengungen sein, aber auch Folgen von Knochenbrüchen am Unterarm und durch Druckerhöhung in den Muskellogen des Unterarmes (Kompartmentsyndrom). Eine seltene Ursache stellt die monofaszikuläre Torsion des Nerven („Bratwurst-Phänomen“) dar.

Diagnose

Wichtig ist es, das Krankheitsbild zu kennen und daran zu denken!

Die Diagnose lässt sich anhand der klinischen Untersuchung vermuten. Unverzichtbar in der Diagnostik ist eine neurologische Untersuchung mit einer Elektromyographie des Daumenbeugermuskels am Unterarm nötig. Die Untersuchung stellt auch an den Neurologen hohe Ansprüche, da dieser die genaue Anatomie des Unterarmes kennen muss, um den Muskel zu treffen. Ansonsten können falsch negative Ergebnisse resultieren. Bei negativer Neurologie aber eindeutiger Symptomatik muss gegebenenfalls die Untersuchung wiederholt werden. Das Krankheitsbild der neuralgischen Schulteramyotrophie (Parsonage-Turner-Syndrom), bei dem ähnliche Symptome auftreten können, muss vor einer eventuellen Operation ausgeschlossen werden.

Hinzu kommt eine MRT-Untersuchung der Weichteile des Unterarmes um eine Raumforderung auszuschließen.

Therapie

Die Therapie kann über einen kurzen Zeitraum konservativ erfolgen. Bleibt nach 6-8 Wochen eine Besserung aus, so sollte der Nerv operativ freigelegt werden.

Dabei wird der Nerv in Blutleere des Armes mikrochirurgisch (Lupenbrille 4,5fach) im gesamten Verlauf von der Ellenbeuge bis in den mittleren Unterarm freigelegt und von allen einengenden Strukturen befreit. Es ist hier unter Umständen erforderlich, den Nerv mit dem Operations-Mikroskop zu untersuchen, um nicht eine monofaszikuläre Torsion zu übersehen. Die Erholung der Nervenfunktion kann bis zu einem Jahr in Anspruch nehmen. Bleibt die Funktionsstörung, so kann auch eine motorische Ersatzoperation erforderlich werden. Dabei wird eine verzichtbare, funktionierende Muskel-Sehnen-Einheit umgelagert um die ausgefallene Funktion zu ersetzen. In diesem Fall wäre dafür ein Transfer der oberflächlichen Beugesehne des Ringfingers denkbar, um die Daumenbeugung wieder herzustellen.

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